Anklage gegen zwei mutmaßliche Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes wegen der Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit u.a. zugelassen

Der 1. Strafsenat - Staatsschutzsenat - des Oberlandesgerichts Koblenz hat die Anklage des Generalbundesanwalts vom 18. Oktober 2019 gegen den 57-jährigen Anwar R. und den 43-jährigen Eyad A. zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet (Beschluss des 1. Strafsenats - Staatsschutzsenat - vom 6. März 2020, Aktenzeichen: 1 StE 9/19).

Dem Angeklagten Anwar R. wird vorgeworfen, im Zeitraum 29. April 2011 bis zum 7. September 2012 mittäterschaftlich durch eine Handlung im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§§ 7 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 5, Nr. 9 VStGB, 25 StGB) begangen zu haben, wobei ihm in diesem Zusammenhang 58-facher Mord (§ 211 StGB), Vergewaltigung und schwere sexuelle Nötigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB in der bis zum 8. November 2016 gültigen Fassung) zur Last gelegt werden.

Der Angeklagte Eyad A. soll sich im Zeitraum 1. September 2011 bis 31. Oktober 2011 der Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben (§§ 7 Abs. 1 Nr. 5, Nr. 9 VStGB, 27 StGB).

Die beiden Angeklagten sollen dem syrischen Allgemeinen Geheimdienst angehört haben. Der Angeklagte Anwar R. soll in der für die Sicherheit des Gouvernements Damaskus-Stadt und Damaskus-Umland zuständigen Abteilung des Allgemeinen Geheimdienstes (Abteilung 251) die Einheit „Ermittlungen“ geleitet haben, welcher das Gefängnis der Abteilung 251 angegliedert gewesen sei. Er habe die Befehlsgewalt über die Vernehmungsbeamten der Ermittlungseinheit gehabt und sei der militärische Vorgesetzte des Gefängnispersonals gewesen. Die Anklage wirft ihm vor, dass es unter seiner Führung und Verantwortung im Gefängnis der Abteilung 251 zu Tötungen und Folterungen gekommen sei. Im Zeitraum 29. April 2011 bis 7. September 2012 seien mindestens 4.000 Häftlinge der Abteilung 251 während der gesamten Dauer der Inhaftierung gefoltert worden, indem sie unter anderem brutaler Gewalteinwirkung durch Schläge, Tritte und Elektroschocks ausgesetzt gewesen seien. Zumindest in jeweils einem Fall sei es auch zu einer Vergewaltigung und einer schweren sexuellen Nötigung gekommen. Den Inhaftierten sei zudem angedroht worden, nahe Angehörige von ihnen zu misshandeln. Die brutalen physischen und psychischen Misshandlungen hätten dazu gedient, Geständnisse zu erzwingen und Informationen über die Oppositionsbewegung zu erlangen. Mindestens 58 Menschen seien im Tatzeitraum infolge der Misshandlungen verstorben. In dem Gefängnis hätten auch jenseits der genannten Misshandlungen unmenschliche und erniedrigende Haftbedingungen geherrscht. So sei den Häftlingen konsequent eine medizinische Versorgung und die Körperpflege verweigert worden, es habe nicht genug zu essen gegeben, oftmals seien die Nahrungsmittel schlichtweg ungenießbar gewesen, und die Haftzellen seien so stark überfüllt gewesen, dass oftmals ein Hinsetzen oder Hinlegen nicht möglich gewesen sei und Gefangene im Stehen hätten schlafen müssen. Der Angeklagte Anwar R. habe als Leiter der Ermittlungseinheit die Vernehmungsbeamten und Gefängniswärter zum Dienst eingeteilt und deren Tätigkeiten und Arbeitsabläufe, auch den Einsatz von systematischen und brutalen Folterungen, überwacht und bestimmt. Er habe während des gesamten Tatzeitraums über das Ausmaß der Folterungen Bescheid gewusst, weshalb ihm auch bewusst und bekannt gewesen sei, dass Häftlinge aufgrund der massiven Gewalteinwirkung verstarben.  

Der Angeklagte Eyad A. sei Mitarbeiter einer Unterabteilung gewesen. Im Herbst 2011 habe er nach der gewaltsamen Auflösung einer Demonstration mit Kollegen die Straßen nach fliehenden Demonstranten abgesucht. Schließlich seien mindestens 30 Personen festgenommen und mit Bussen zu dem Gefängnis der Abteilung 251 gebracht worden, wobei der Angeklagte Eyad A. den Transport in einem der Busse begleitet habe. Die Festgenommenen seien bereits auf der Fahrt zum Gefängnis, wie auch bei der Ankunft im Gefängnis geschlagen worden. Im Gefängnis seien sie dann brutal misshandelt und systematisch gefoltert worden. Der Angeklagte Eyad A. habe bereits bei der Festnahme der Demonstranten um die regelmäßige und systematische Folter in der Abteilung 251 gewusst.

Die beiden Angeklagten sind syrische Staatsangehörige. Nach bisherigen Erkenntnissen reiste der Angeklagte Anwar R. am 26. Juli 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein, der Angeklagte Eyad A. kam am 25. April 2018 nach Deutschland.  

Die Angeklagten wurden wegen des verfahrensgegenständlichen Tatvorwurfs am 12. Februar 2019 festgenommen. Der Angeklagte Anwar R. befindet sich seither durchgehend in Haft. Der Angeklagte Eyad A. war im Mai 2019 vorübergehend aus der Haft entlassen worden. Seit Anfang Juni 2019 wird auch gegen ihn durchgehend die Untersuchungshaft vollstreckt.

Der Staatsschutzsenat beabsichtigt, die Hauptverhandlung am

                                                    Donnerstag, dem 23. April 2020, 9.30 Uhr,

zu beginnen (Saal 128, Dienstgebäude des Landgerichts Koblenz, Karmeliterstraße 14, 56068 Koblenz).

Als Fortsetzungstermine wurden bestimmt (jeweils am gleichen Ort zur gleichen Uhrzeit):

Fr., 24. April 2020,
Mo., 27. April 2020,
Di., 28. April 2020,
Mi., 29. April 2020,
Mo., 18. Mai 2020,
Di., 19. Mai 2020,
Mi., 27. Mai 2020,
Do., 28. Mai 2020,
Fr., 29. Mai 2020,
Mi., 3. Juni 2020,
Do., 4. Juni 2020,
Fr. 5. Juni 2020,
Mi., 24. Juni 2020,
Do., 25. Juni 2020,
Mi., 1. Juli 2020,
Do., 2. Juli 2020,
Fr., 3. Juli 2020,
Mo., 6. Juli 2020,
Mi., 29. Juli 2020,
Do., 30. Juli 2020,
Fr., 31. Juli 2020,
Mi., 12. August 2020,
Do., 13. August 2020.      

Weitere Fortsetzungstermine bedürfen noch der Bestimmung.

Medienvertreter, die an einer Teilnahme an der Hauptverhandlung interessiert sind, können sich ausschließlich per E-Mail unter Verwendung des von der Pressestelle des Oberlandesgerichts Koblenz zur Verfügung gestellten Formblattes (bitte das aktualisierte Formblatt benutzen) und unter Übermittlung eines gültigen Presseausweises oder eines sonstigen Nachweises ihrer journalistischen Tätigkeit bei der Pressestelle des Oberlandesgerichts Koblenz (akkreditierung.olg@ko.jm.rlp.de) für „Anwar R. und Eyad A.“ akkreditieren. Jeder Medienvertreter muss sich einzeln akkreditieren und kann sich nur einmal akkreditieren. Sammelakkreditierungen einzelner Medienorgane sind nicht zulässig. Akkreditierungsgesuche, die nicht per E-Mail unter Verwendung des von der Pressestelle des Oberlandesgerichts Koblenz zur Verfügung gestellten Formblattes an die o.g. E-Mail-Adresse gesandt werden, sind unzulässig und werden nicht berücksichtigt.

Die Anzeigefrist für ein Akkreditierungsgesuch beginnt am 10. März 2020 um 12.00 Uhr und endet am 18. März 2020 um 15.00 Uhr. Akkreditierungsgesuche, die außerhalb dieser Frist eingehen, können nicht berücksichtigt werden.

Genehmigungen zur Fertigung von Foto-, Film- und/oder Tonaufnahmen werden akkreditierten Medienvertretern erteilt und sind innerhalb der oben genannten Akkreditierungsfrist unter Verwendung des von der Pressestelle des Oberlandesgerichts Koblenz zur Verfügung gestellten Formblattes per E-Mail bei der Pressestelle des Oberlandesgerichts Koblenz (akkreditierung.olg(at)ko.jm.rlp.de) zu beantragen.

Akkreditieren sich mehr Interessenten für Ton-, Foto- und Filmaufnahmen als aus Raum- und Sicherheitsgründen tragbar, bleibt vorbehalten, Ton-, Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal nur im Rahmen einer Pool-Lösung zu gestatten.

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