Die aus einem Pachtvertrag, der vor Inkrafttreten der Entflechtungsregelungen (§§ 7, 7a Energiewirtschaftsgesetz) abgeschlossen wurde, zur (Rück-)Übertragung der Kundenlieferverträge verpflichtete Pächterin der Strom- und Gasversorgung, kann sich bei Ablauf der Pachtzeit nicht darauf berufen, dass sie hieran infolge einer zwischenzeitlich vorgenommenen Entflechtung gehindert sei. Die Pächterin hat sich vielmehr auch unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgegebenen Entflechtung so zu organisieren, dass ihr die Erfüllung der (Rück-)Übertragungspflicht möglich ist. Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Koblenz bestätigt (Urteil vom 24.10.2019, Az. U 328/18 Kart).
Im konkreten Fall hatte die Klägerin, ein kommunales Energieversorgungsunternehmen, zum 1.1.1994 mit einer Rechtsvorgängerin der Beklagten für die Dauer von 20 Jahren – mit der Möglichkeit der Vertragsverlängerung – einen Pachtvertrag über die Strom- und Gasversorgungsanlagen im Versorgungsgebiet der Klägerin geschlossen, wobei auch die Kundenlieferverträge verpachtet wurden. Im Pachtvertrag wurde vereinbart, dass bei Vertragsablauf alle Verträge, die die Strom- und Gasversorgung betreffen, (wieder) auf die Klägerin übergehen. Während der Laufzeit des Pachtvertrags traten umfängliche Änderungen des Energiewirtschaftsrechts in Kraft, durch die größere Energieversorgungsunternehmen verpflichtet wurden, den Strom- und Gasnetzbetrieb vom Energievertrieb an Endkunden zu trennen. Vor diesem Hintergrund wurden auf Seiten der ursprünglichen Pächterin innerhalb des Konzerns zum einen der Netzbetrieb auf die Beklagte und zum anderen die Kundenlieferverträge auf eine von der Beklagten rechtlich unabhängigeVertriebsgesellschaft übertragen. Die Klägerin kündigte den Pachtvertrag zum Ende der vereinbarten Mindestpachtzeit und betreibt die Strom- und Gasversorgung seit dem 1.1.2014 wieder in Eigenregie. Die Beklagte weigerte sich jedoch bislang bei der Abwicklung des Pachtvertrages, auch die Kundenlieferverträge (wieder) auf die Klägerin zu übertragen. Die Beklagte hat unter anderem die Auffassung vertreten, dass infolge der Entflechtung die Klägerin hierauf keinen Anspruch (mehr) habe. Denn die Kundenlieferverträge seien durch die Entflechtung auf die Vertriebsgesellschaft übertragen worden. Sie, die Beklagte, sei zuletzt nur noch die Netzbetreiberin gewesen und könne folglich keine Vertriebskundenverträge auf die Klägerin übertragen.
Die Klägerin hat wegen der Nichtübertragung der Kundenlieferverträge die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von zunächst 20 Millionen Euro in Anspruch genommen. Bereits das Landgericht hat der Klägerin einen Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zugesprochen, weil die Beklagte durch die Nichtübertragung der Kundenlieferverträge schuldhaft eine Vertragspflicht verletzt habe. Der Senat hat dies im Berufungsverfahren bestätigt. Dabei hat er betont, dass die entsprechend §§ 7, 7a Energiewirtschaftsgesetz vorgenommene Entflechtung die Beklagte nicht von ihrer vertraglichen Verpflichtung entbinde, nach Beendigung der Pacht auch die Kundenlieferverträge (wieder) auf die Klägerin zu übertragen. Wenngleich die gesetzliche Pflicht zur Entflechtung bedeute, dass der Netzbetreiber hinsichtlich seiner Rechtsform und Organisation unabhängig von den übrigen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung sein müsse, entlaste dies die Beklagte nicht. Diese habe sich vielmehr so organisieren müssen, dass am Ende der Pachtzeit die Versorgungsverträge gemäß der vertraglichen Vereinbarung auf die Klägerin übertragen werden können. Die Beklagte habe sich beispielsweise im Rahmen der Entflechtung durch eine vertragliche Vereinbarung den Zugriff auf die Lieferverträge (allein) zum Zweck ihrer Rückübertragung an die Klägerin einräumen lassen können.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, es ist aber noch eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof möglich. Sofern das Grundurteil endgültig Bestand hat, wird durch das Landgericht zu klären sein, in welcher Höhe der Klägerin Schadensersatz für die unterbliebene Übertragung der Kundenlieferverträge zusteht.